Kirsten Boie: Der Hoffnungsvogel
Mit Illustrationen von Katrin Engelking
Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg, 2023, 224 Seiten Lesealter 6 – 8 Jahre
Die Menschen im „Glücklichen Land“ sind sehr zufrieden mit ihrer „Guten Königin“. Sie ist gerecht und beteiligt die Bürger an ihren Entscheidungen. Dazu lädt sie alle „Untertanen“ in ihren Garten ein und sucht mit ihnen beim Genuss ihres selbst gebackenen Kuchens nach einer einvernehmlichen Lösung. Über dem kleinen Königreich zieht ein Hoffnungsvogel seine Kreise. Mit seinen Melodien tröstet er Menschen oder wendet sich ihnen einfach still zu. Unter den Menschen herrscht daher große Zufriedenheit.
Kaum zu glauben, dass zunächst niemand im „Glücklichen Land“ sein Fehlen bemerkt hat. Als aber die Freundlichkeit der Bewohner untereinander immer mehr abnimmt, sich Zank und Missgunst breit machen, sucht die „Gute Königin“ nach der Ursache und ihr wird klar: Das Verschwinden des Hoffnungsvogels ist schuld. Sie beschließt ihren Sohn Jabu, den „Freundlichen Prinzen“, auszusenden, damit er ihn sucht. Der ist kein Draufgänger und hätte alles gegeben um sich vor diesem Auftrag zu drücken. Doch seine Mutter hat ihm beigebracht, dass man vor einer Aufgabe nicht weglaufen darf. Trotz innerer Ängste zieht er also mit seinem Rucksack und seiner Mundharmonika in die Ferne.
Da ist die Begegnung mit Alva, der unerschrockenen Tochter der Leuchtturmwärterin, für ihn einfach Glück. Sie will Jabu helfen und lässt sich mutig auf die nicht ungefährliche Reise über das Meer mit der „Heldenhaften Helene“ ein, obwohl das Schiff nicht mehr seetauglich ist. Nur so können sie das Land jenseits des Meeres erreichen, in dem sie die Diebe vermuten. Auf ihrer Suche helfen ihnen die verschiedensten Menschen. Der „Freundliche Prinz“ bezwingt alle Ängste und traut sich am Ende sogar, es mit einem Haufen rauflustiger Räuber aufzunehmen, um den Hoffnungsvogel zu befreien.
Das „Glückliche Land“ ist eine Utopie. Dort leben Menschen, die „immerzu alles dafür tun, dass es nicht nur ihnen selbst, sondern auch allen anderen gut geht.“ Als die Gier der Räuber das Königreich bedroht, machen sich Kinder auf den Weg um für seinen Erhalt zu kämpfen. Ihre Freundschaft und ihr gegenseitiges Vertrauen machen sie stark.
Die handelnden Personen dieses Buches zeigen eine Bandbreite kultureller Vielfalt. Im „Glücklichen Land“ wird Gleichberechtigung gelebt. Frauen in Männerberufen sind eine Selbstverständlichkeit, klischeehafte Rollenverteilungen gibt es nicht.
„Der Hoffnungsvogel“ ist ein modernes Märchen: Das Gute besiegt das Böse, und zwar nicht mit Waffen, sondern mit Hilfe einer kleinen Melodie. Am Ende der Handlung steht natürlich ein Happy End. (Die Räuber geben den Vogel zurück.) So weit, so gut. Aber Kirsten Boie weiß das zu übertreffen. Ganz unerwartet werden nämlich ohne viel Aufhebens auch die Schurken im „Glücklichen Land“ zu netten Menschen.