Matthäus Bär:
Drei Wasserschweine brennen durch
Mit Bildern von Anika Voigt – dtv Verlagsgesellschaft München, 2024,
144 Seiten, Lesealter ab 6 Jahre
Emmy, Tristan und Raul sind gute Freunde. Mit anderen Wasserschweinen – der Autor spricht von Capybaras – leben sie gut versorgt im Zoo auf einer Wiese mit großem Baum und Wassertümpel. Im Einerlei der täglichen Abläufe sehnen sie sich jedoch nach Abwechslung. Aufmerksam beobachten sie das Geschehen jenseits der Gehege-Absperrung und fragen sich, was wohl dahinter ist. Gibt es da mehrals in ihrem „Käfig“? Auf alle Fälle ein Mehran Futter, ist sich Tristan sicher. Gemeinsam wagen sie einen nächtlichen Ausbruch und bemerken dabei: Die Tür zu ihrem Gehege wird nicht abgeschlossen, d.h. ein Mehr an Möglichkeiten steht ihnen offen. Sie sind „frei und wild“.
Von nun an begeben sich die Freunde in jeder Nacht auf Streifzug. Dabei lernen sie Tiere kennen, von denen sie schon einiges gehört haben. Schnell aber begreifen sie, dass sie nicht allen trauen können. Während sich harmlose, niedliche Tiere ihnen gegenüber unerwartet gemein verhalten, begegnen ihnen angeblich gefährliche freundlich und hilfsbereit. Die Wasserschweine stören die Kreise der Zoogemeinschaft und so bekommt die anfangs harmlose Tiergeschichte in der nächtlichen Kulisse aufregende, zum Teil bedrohliche Züge. Am Ende werden dann aber alle Freunde. Erleichtert hören Emmy, Tristan und Raul, dass eine nicht erhaltene Einladung zu ihrer Geburtstagsfeier, also gekränkte Eitelkeit, die Ursache für die Bosheit mancher Tiere war. Unmissverständlich machen ihnen die Wasserschweine aber klar: „Auch wir sind ab jetzt im Mehr unterwegs“.
Die Neugier der drei Freunde und ihr Interesse an der Welt außerhalb sind so groß, dass sie mutig eine Grenze überwinden und zu einem „Mehr“ an Erkenntnissen und Erfahrungen kommen. Sie lernen, Vorurteile gegenüber anderen Tieren abzubauen und bestehen durch die Unterstützung neuer Freunde dramatische Abenteuer.
Die Wasserschweine verkörpern menschliche Wesensarten und werden vom Autor liebenswert beschrieben. Andere Zootiere werden hingegen als böse, intrigant oder erpresserisch überzeichnet, was vielleicht für manche junge Leserin/manchen jungen Leser schwer auszuhalten ist. (Ausgerechnet die Meerschweinchen sind die Bösen.) Bis zur Begründung ihres Verhaltens baut die Geschichte eine Spannungskurve auf, die das Bedürfnis erzeugt immer weiter lesen zu müssen.
Die Erzählung beinhaltet viele humorvolle Episoden und Sprachwitz. Wohl zur Erheiterung der Kinder haben die Raben und der Esel einen „Sprachfehler“, auch derbe Schimpfwörter kommen vor. Matthäus Bär schreibt kindgerecht. Und ob die Lesenden in ihrer Vorstellung aus dem „Mehr“ ein „Meer“ machen (auch ein Sehnsuchtsort) ist unerheblich.
Mit den Wasserschweinen, dem Zoowegweiser, dem offenen Gatter und dem Mond hat Anika Voigt die wichtigsten Elemente der Geschichte auf dem Buchcover optisch gelungen festgehalten. Im hinteren Buchdeckel kann man das Abenteuer der drei Freunde auf einer Karte des Zoos bei Nacht verfolgen. Ihre Illustrationen im Buchinnern sind farbenfroh und bringen die Emotionen der Tiere durch Gestik und Mimik besonders zum Ausdruck. In vielen Variationen hat Anika Voigt Wasserschweine liebevoll abgebildet.
Der Text von Matthäus Bär (mit dem Kinderliteraturpreis DIXI ausgezeichnet) ist lesenswert. Im Alter von 6 Jahren wird er Kinder lesetechnisch überfordern, aber als Buch vorgelesen wird er begeisterte Zuhörer finden.