Buch des Monats

Buch des Monats Mai 2021

Kirsten Boie: Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte

Mit Bildern von Barbara Scholz

Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2019, 192 Seiten, ab 6 – 8 Jahren 

Der kleine puschelige Fuchs möchte ein Reh sein, weil er der Reh-Familie, die ihn nach einem Waldbrand elternlos bei sich aufgenommen hat, unbedingt beweisen will, dass er kein Raubtier, sondern ihr Freund ist. Die meisten Waldtiere würden auf Grund ihrer schlechten Erfahrungen einem Fuchs nicht trauen, klärt ihn die Reh-Mutter auf. Für sie bleibt ein Fuchs immer ein Fuchs, d. h. ein gefährliches, listiges Tier.

Sie nennt ihn spontan Blau-Auge. Zwar weiß sie, dass das Junge nicht immer bei ihr bleiben wird, verlangt aber, dass er ihre Erziehung respektiert, wenn er in ihrer Familie leben will. Aber da sie den Kleinen mag, ermutigt sie ihn durchaus, auch auf eigenen Wegen seine Ziele zu erreichen. Mit kurzen Beinen ist es eben leichter unter einem Zaun hindurchzukriechen statt ihn zu überspringen. Das Leben mit seinen drei Reh-Brüdern verläuft nicht ohne Spannungen und so manches Mal wandern Blau-Auges Gedanken zu seiner eigenen Familie.

Zu Vielpunkt aber fasst er Vertrauen und bald verbindet die beiden Tiere eine Freundschaft. Gemeinsam erkunden sie den Wald, immer die Gefahren im Blick, die von anderen Tieren ausgehen und vor denen sie die Reh-Mutter gewarnt hat. Ihre Belehrungen geben tiefe Einblicke in das Erleben und Denken der Rehe, da sie ihre Wald-Mitbewohner nach menschlichem Verhalten erfassen. Befremden und Angst lösen in ihnen die Menschen aus, deren Umfeld besonders bildhaft beschrieben wird, z. B. Zweifüssler, Donnerflügel, usw. . Vor ihnen muss man sich wirklich hüten!

Als eines Tages die kleine Waldmaus verschwindet, ist klar, wem die Waldgemeinschaft die Schuld für ihr Verschwinden zuweist, auch wenn sie tags drauf wieder da ist. Und dann ist plötzlich Blau-Auges Freund Vielpunkt wie vom Erdboden verschluckt. Der junge Fuchs setzt alles daran seinen Freund zu finden, getragen von dem Gedanken, dass man sich auf ihn als Freund verlassen kann.

Wie Kirsten Boie zu Anfang des Buches erklärt, folgt sie in ihrer Erzählweise dem „besten Geschichtenerzähler zwischen Sommerwiese und Winterwald“, einem weisen Uhu. Nach dessen Ansicht muss eine Geschichte spannend, lustig und auch ein bisschen traurig sein, aber am Ende alle Beteiligten in einem guten Schluss vereinen. Die Autorin gibt vor, mit ihrem Buch die Geschichte des Uhus nachzuerzählen. Das eröffnet ihr die interessante Möglichkeit, die Erlebnisse aus seiner Sicht, der Sicht der Tiere zu erzählen. Der Leser muss sich dabei zwar auf manch ungewöhnliche Wortzuweisungen einlassen, steht aber mitten im Geschehen.

Die Autorin erzählt einerseits eine anrührende, fesselnde Geschichte über den Zusammenhalt der Tiere untereinander, andererseits macht sie aber deutlich, wie sehr in der Waldgemeinschaft Vorsicht, Misstrauen und oft Vorurteile das Handeln bestimmen.

Ihr umfangreicher Text (40 Kapitel) stellt an Selbstleser angesichts der zahlreichen inneren Monologe im Hauptteil des Buches hohe Anforderungen. Als Vorlesebuch ist die warmherzige Geschichte von Blau-Auge ideal. Einerseits, weil Text und ausdrucksstarke Illustrationen gut aufeinander abgestimmt sind und damit Anlass zum Gespräch liefern, andererseits, weil  – wie vom Uhu gefordert – alles am Ende meistens gut wird.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen