Stephanie Schneider:
Grimm und Möhrchen – Ein Zesel zieht ein
Illustriert von Stefanie Scharnberger, dtv 2022, 128 Seiten, ab 5 Jahren
Eines Tages stand ein kleiner Zesel vor der Tür des Buchhändlers Grimm. Halb Zebra, halb Esel behauptete er, von beiden die Hälfte, aber von jedem das Beste zu sein. Das kuriose Tier streckte Grimm den Huf entgegen und sagte: „Ich heiße Möhrchen.“ Im Laden öffnete er seinen kleinen Koffer und zog ein dickes leeres Buch mit Lesebändchen daraus hervor. „Sein Titel ist Grimms Möhrchen.“, meinte er. „Du schreibst einfach alles auf, was wir machen. Und wenn das Buch fertig ist, dann liest Du mir abends daraus vor. Das wird gemütlich.“ Diese Vorstellung gefiel dem Buchhändler, denn sie ließ ihn hoffen, Möhrchen würde bei ihm bleiben und Schwung in sein manchmal einsames Leben bringen. Also machte er sich an die Arbeit. „An einem ganz normalen Nachmittag saß Grimm in seinem Buchladen“, schrieb er und wiederholte damit im Buch den Anfang seiner Begegnung mit dem kleinen Zesel.
Der Buchhändler nahm Möhrchen mit zu sich nach Hause. Von nun an würde er nicht mehr allein sein, dachte er glücklich. Möhrchen richtete sich ein und stellte seinen Koffer als Bett neben das von Grimm. Das alltägliche Leben wurde dank des kleinen Zesels zum Abenteuer und Vergnügen, denn er hatte viele Fragen, Fantasie und Lust auf verrückte Dinge. Nur einer Runde Kopfstand war es beispielsweise zu verdanken, dass sie dann doch noch die Eier unter einer Zeitung entdeckten, aus denen sie einen Pudding kochen wollten. Aus einem Stapel Altpapier bastelten die beiden eine perfekte Rakete. Als sie Platz genommen hatten, stampfte Möhrchen wie verrückt auf den Boden des Raketenkartons – der Countdown lief. Und auch als er Grimm eines Tages bat, alles einmal anders herum zu machen, traf er bei ihm auf offene Ohren. „Denn wer mit einem Zesel zusammenwohnt, der ist es gewöhnt, ständig neue Sachen auszuprobieren.“ Also blieben sie nachts wach, auch wenn die Unternehmung nur dazu diente, „mal richtig Lust“ zu bekommen, schlafen zu gehen.
Möhrchen teilte mit dem Buchhändler die Vorliebe für ausgefallene Wörter, Wortspiele und Reime. Da wurde bei ihm schon mal aus dem Adventskranz ein Wennskranz und aus dem Zauberbuch ein Sauberbuch. Eines Tages schmückte er mit Grimms Hilfe den Laden mit einer Leine, an der auf kleinen Papieren schöne altmodische Wörter hingen. „Anstandswauwau“, „Nachtkonsölchen“ oder “Quetschkommode“ war da zu lesen. Wer den Buchladen betrat, durfte sich ein Lieblingswort mitnehmen. Durch Möhrchen gewannen auch die Kinder ihr Interesse an Büchern zurück. Jeden Dienstag gab es von nun an extra für sie in der Bücherkiste eine Vorlesestunde.
Stephanie Schneider erzählt die Geschichte einer Freundschaft. „Weißt du, ich bin schon lange auf der Suche nach dir.“, offenbarte Möhrchen gleich am Anfang dem Buchhändler. Das kleine Tier erfreute ihn. Seine offene, „unbedarfte“ Herangehensweise an die Dinge machte ihr Leben unterhaltsam und Grimm half mit, seine Ideen kreativ umzusetzen. Zu groß war seine Freude über den neuen Mitbewohner und das Ende seiner Einsamkeit.
Der kleine Zesel wird Kindern im Vorschulalter gefallen, denn mit ihm wird es nie langweilig. Stephanie Schneider macht aus den kleinen Dingen des Alltags etwas Besonderes und erzählt die kurzweiligen Abenteuer ruhig mit viel Sprachwitz. Dem Lesealter entsprechend hat sie die Geschichte in dreizehn in sich abgeschlossene Kapitel eingeteilt. Sie eignen sich gut zum Vorlesen.
Stefanie Scharnberg fängt mit ihren Illustrationen wunderbar das Atmosphärische der Beziehung zwischen Grimm und Möhrchen ein, wie das Buchcover beweist. Ihre farbenfrohen Bilder mit Witz und vielfältigen Details sind gut gelungen und bereichern den Text.
Das vorliegende Buch wurde 2022 mit dem Deutschen Kinderbuchpreis ausgezeichnet. Inzwischen gibt es drei weitere Bände.